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Donnerstag, 7. Oktober 2021 von Sandra Schmitt
Prämiensparverträge
BGH entscheidet pro Vebraucher
Die lange erwartete Entscheidung des BGH zu den Zinsanpassungsklauseln bei Sparverträgen ist zu Gunsten der Verbraucher gefallen:
Nach einer aktuellen Pressemeldung hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass die Klausel "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit .. % p.a. verzinst" wegen eines Verstoßes gegen zwingende Verbraucherschutzvorschriften unwirksam ist. Die in Prämiensparverträgen insoweit entstandene Regelungslücke ist durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.
Das Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts Dresden wurde aufgehoben, soweit dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt hat. Insoweit hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es interessengerecht, einen Zinssatz für langfristige Spareinlagen als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen heranzuziehen.
Die Sparkassen hatten bisher meist einen Mischzins für kurz- und langfristige Sparanlagen vorgeschlagen. Darüber hinaus hat der BGH entschieden, dass die Zinsanpassungen monatlich und unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) vorzunehmen sind. Er hat zudem entschieden, dass Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens mit Beendigung der Sparverträge fällig werden. Damit fällt das Argument der Sparkassen, die weit zurückreichenden Nachverzinsungsansprüche seien verjährt, weg.
Es bestehen also für Sparer nun noch bessere Chancen, für die Vergangenheit erhebliche Zinsen auf Sparanlagen nach zu verlangen und auch durchzusetzen.
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Donnerstag, 9. September 2021 von Sandra Schmitt
KFZ-Kreditverträge
EUGH: Widerruf alter KFZ-Kreditverträge möglich!
Der Europäische Gerichtshof hat am 09.09.2021 erneut ein verbraucherfreundliches Urteil gefällt. Viele Kunden können dadurch alte Kreditverträge widerrufen, auch wenn der Vertragsabschluss Jahre her ist.
Der EuGH hatte am 09. September über Kleingedrucktes in Autokreditverträgen der VW-Bank, der Skoda-Bank und der BMW-Bank zu urteilen und stellte fest, dass Verbraucherschutz hierdurch nicht gewahrt ist. Die Vertragsbedingungen sind zu undeutlich formuliert.
So ist z.B. die Klausel in den Verträgen über die Höhe des Verzugszinses nicht rechtmäßig. Nach dem Urteil des EuGH muss diese Klausel für einen Durchschnittsverbraucher, der keine Fachkenntnisse im Finanzbereich hat, leicht verständlich sein. Er muss selber ausrechnen können, wie teuer es wird, wenn er nicht rechtzeitig seine Raten zahlt. Das Gleiche gilt für die Klausel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung.
Bei den betroffenen Verträgen hat wegen dieser Mängel die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht begonnen. Aus diesem Grund ist der Widerruf für die Kunden immer noch möglich. Sie können aus dem Vertrag aussteigen, selbst wenn dieser schon vor Jahren abgeschlossen wurde.
Bereits mit einem Beschluss vom 31.03.2020 hatte der EuGH in Deutschland abgeschlossene Darlehen als zu undeutlich kritisiert. Bislang hatte der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Gericht, in von ihm zu entscheidenden Fällen diesen Beschluss für nicht einschlägig gehalten. In dieser neuesten Entscheidung hat der EuGH aber verdeutlicht, dass Verbraucher, wenn sie nicht richtig informiert wurden, nach europäischem Recht alle Möglichkeiten haben. Das darf ihnen nicht verwehrt werden.
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Donnerstag, 3. Dezember 2020 von Sandra Schmitt
Prämiensparverträge
Kündigungswelle bei Prämien-Sparverträgen der Sparkassen
Aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs vom 14.5.2019 (Az. XI ZR 345/18) kündigen viele Sparkassen unzählige Prämiensparverträge ihrer Kunden. Ein explizites Kündigungsrecht für die Sparkasse war in den Sparverträgen meist nicht vereinbart. Der BGH erklärte die Kündigung dieser Sparverträge jedoch nach dem Erreichen der höchsten Prämienstufe für rechtswirksam.
Prämiensparverträge, die insbesondere ab Mitte der 1990er Jahre den Sparkassenkunden angeboten wurden, erwiesen sich in den letzten Jahren für die Sparer als sehr attraktiv: In der Regel zahlten die Kunden monatlich einen konstanten Betrag ein. Zusätzlich zum Zins erhielten die Kunden eine Prämie, die mit der Laufzeit des Vertrags stufenweise immer weiter anstieg, meist bis zu 50 % (in manchen Verträgen sogar bis zu 100%) der im Vertragsjahr eingezahlten Sparbeiträge. Bei den meisten Verträgen war die höchste Stufe nach 15 Jahren erreicht.
Die in aller Regel unbefristeten Sparverträge erzielten aufgrund der Niedrigzinsphase zuletzt nur noch Sparzinsen nahe 0 %. Die Prämie, die bis zur Verdoppelung des jährlich eingezahlten Betrags führte, war aber immer noch äußerst rentabel. Die Prämiensparverträge sahen in aller Regel ein Kündigungsrecht nur für den Kunden vor. Der Bundesgerichtshof hat jedoch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen eine Kündigung durch die Sparkasse wegen Vorliegen eines „sachgerechten Grundes" für zulässig gehalten. Das niedrige Zinsniveau stelle einen solchen Kündigungsgrund für die Sparkasse dar.
Dieses Kündigungsrecht ist aber nach der Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen, wenn bei dem Vertrag die höchste Prämienstufe noch nicht erreicht ist.
Ob die Kündigung eines Prämiensparvertrags durch eine Sparkasse rechtmäßig ist, muss für jeden Vertrag im konkreten Einzelfall geprüft werden. Vom BGH-Urteil nicht betroffen sind jedenfalls Prämiensparverträge, bei denen die höchste Prämienstufe noch nicht erreicht ist. Ebenso wenig fallen Verträge mit einer festen Laufzeit unter die BGH-Rechtsprechung.
Sparkassenkunden, die eine Kündigung ihres Prämiensparvertrags erhalten haben, sollten diese rechtlich prüfen lassen.
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Sonntag, 15. November 2020 von Sandra Schmitt
Wirecard
Schadensersatz für Wirecard-Anleger?
Am 18.06.2020 musste die im Deutschen Aktienindex (DAX) gelistete Wirecard AG einräumen, dass Gelder in Höhe von 1,9 Milliarden Euro auf ausgewiesenen Treuhandkonten nicht (mehr) vorhanden sind. Der Aktienkurs brach daraufhin massiv ein. Kurz darauf meldete die Wirecard AG Insolvenz an. Aktionäre tragen grundsätzlich das volle Verlustrisiko ihrer Aktien. Fraglich ist aber, ob wegen dieser Verluste möglicherweise erfolgversprechend Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können.
Es spricht viel dafür, dass die Wirecard AG den Kapitalmarkt über mitteilungspflichtige Informationen nicht oder zu spät in Kenntnis gesetzt hat. Daher könnte die Wirecard AG selbst in Anspruch genommen werden wegen der Verletzung der Ad-hoc-Pflicht. Allerdings könnten diese Ansprüche gegen die Wirecard AG lediglich im Insolvenzverfahren angemeldet werden.
Daneben kommen Haftungsansprüche gegen die Organe, Vorstand und Aufsichtsrat in Betracht, insbesondere gegen den vormaligen CEO Markus Braun wegen Betrugs und Untreue. Markus Braun hatte nach Presseberichten im Juni 2020 gut die Hälfte seiner Aktien an der Wirecard AG veräußert und dafür 155 Mio. Euro erlöst.
Außerdem sind Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst &Young zu prüfen, da Abschlussprüfungen in den Vorjahren möglicherweise nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt wurden. Zu beobachten wird auch sein, ob ein Feststellungsverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) gegen die Wirecard AG und weitere Haftungsgegner stattfinden wird, um sich hieran zu beteiligen.
Schadenersatzansprüche können sowohl Aktionären der Wirecard AG (WKN: 747206, ISIN: DE0007472060) als auch den Inhabern von Wirecard-Anleihen oder Derivaten, etwa Optionsscheine oder Zertifikate, denen als Referenzwert den Kurs der Wirecard AG zugrunde ist, zustehen.
Gerne beraten wir Sie zu Handlungsmöglichkeiten und erläutern Ihnen das Kostenrisiko.
Bereits seit längerem anerkannt ist: Bausparkassen können Bausparverträge wirksam kündigen, bei denen die Bausparsumme komplett angespart ist (§ 488 Abs. 3 BGB). Denn Zweck des Bausparens ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern ein Bauspardarlehen zu bekommen.
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Sonntag, 15. November 2020 von Sandra Schmitt
Prämiensparverträge
Überprüfung der gutgeschriebenen Zinsen bei Sparverträgen der Sparkassen sinnvoll
Während der Laufzeit des Sparvertrags von Sparkassen berechnete Zinsen sollte man vor Auflösung des Kontos überprüfen. In (Prämien-)Sparverträgen wurde in aller Regel ein sog. variabler Zinssatz vereinbart, der durch die Sparkasse einseitig geändert werden konnte. Die Höhe des jeweils geltenden Zinssatzes sollte sich am Aushang der Sparkasse bemessen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist diese Art der Zinsänderungsklausel rechtswidrig. Eine Zinsänderungsklausel muss nach der Rechtsprechung des BGH für den Verbraucher transparent, somit verständlich und nachvollziehbar sein. Eine rechtswidrige Zinsanpassungsklausel ist unwirksam. Stattdessen muss eine durch allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung zu ermittelnde sachlich und zeitlich angemessene Zinsanpassung erfolgen. In vielen Fällen müssen Sparkassen zu wenig berechnete Zinsen nachzahlen. Gerne prüfen wir Ihre Verträge im Hinblick auf berechneten Zinsen und beraten Sie über die Handlungsalternativen.
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Montag, 5. Oktober 2020 von Sandra Schmitt
Darlehensverträge
„Kaskadenverweis“ macht Widerrufsbelehrung in Darlehensverträgen unverständlich
In der Presse wird das „Comeback des Widerrufsjokers“ heraufbeschworen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte mit Urteil vom 26.03.2020 die zwischen Juni 2010 und März 2016 in den meisten privaten Darlehensverträgen und auch in einer gesetzlichen Musterwiderrufsinformation verwendete Formulierung zum Beginn der Widerrufsfrist für unzureichend:
„Die Frist beginnt nach Vertragsschluss, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (...) erhalten hat“.
Diese Formulierung ist nach Auffassung des EuGH(C-66/19) nicht - wie es die entsprechende EU-Richtlinie vorschreibt - klar und prägnant, da der Verbraucher sich durch eine Vielzahl in einander greifender gesetzlicher Regelungen („Kaskade“) hangeln und diese lesen und richtig verstehen muss, um zu wissen, was für seinen Vertrag gilt. Das ist für den normalen Verbraucher nach Auffassung des EuGH nicht möglich.
Der in der Bundesrepublik für Bankrecht zuständige XI. Senat des Bundesgerichtshofs hielt in seinen Urteilen die Formulierung bisher für ausreichend.
Damit stellt sich die Frage, ob wegen des Vorrangs von europäischem Recht alle Darlehensverträge mit dieser Formulierung in der Information über das Widerrufsrecht zumindest bis zur vollständigen Tilgung des Kredits immer noch widerruflich sind. Dafür muss geprüft werden:ob es sich um einen Verbraucherkreditvertrag handelt, der im Zeitraum von Juni 2010 bis März 2016 abgeschlossen wurde,ob der Vertrag die vom EuGH für ungenügend gehaltene Kaskadenformulierung enthält,ob dieser Fehler „geheilt“ sein könnte, weil die Bank das gesetzliche Muster für die Information von Verbrauchern über das Widerrufsrecht (das ebenfalls nicht der EuGH-Rechtsprechung entspricht) korrekt verwendet hat,Bei Immobilienfinanzierungen stellt sich auch die Frage, ob das Urteil des EuGH auch für diese grundsätzliche Bedeutung hat. Die EU-Richtlinie über Verbraucherkredite ist nämlich von ihrem Wortlaut her nicht auf Immobilienkredite anwendbar.